Freitag, 27. März 2015

8 Minuten lang


Mir tut die Seele weh, wenn ich an die letzten Minuten in Flug 4U9525 denke.
8 Minuten sind unendlich lang, wenn man weiß/ahnt/begreift, was an ihrem Ende geschehen wird.

Ich finde es sehr nett, dass sich Presse und Sprecher der Lufthansa momentan dergestalt äußern, dass die Passagiere erst "im letzten Moment" realisiert haben sollen, was geschieht; das ist tröstlicher Gedanke, an dem man sich ein wenig fest halten kann. Es aber so wirklich zu glauben, das fällt mir schwer.
Zumal: Was bedeutet "im letzten Moment"?
4 Minuten vorher?
1 Minute?
Auch eine Minute wird elend lang in Todesangst.

Seit alles danach aussieht, als habe der Co-Pilot das Flugzeug vorsätzlich gegen die Felswand gelenkt, rufen mich viele Freunde und Bekannte an und bitten um Erklärungen: Was geht in einem Menschen vor, der so etwas tut? Wie kann man das nur machen? Was denkt sich so jemand?
Als Psychologin, noch dazu als eine, die jahrelang mit Selbstmördern gearbeitet hat, müsste ich das doch wissen, glauben sie.
Aber ich weiß es nicht.
Jeder Selbstmord ist anders, jeder Mensch ist anders, kein Motiv gleicht dem anderen.
Man sieht den Menschen nicht hinter die Stirn.
Ein Selbstmörder kann lachen, scherzen, plaudern und völlig normal sein und 5 Minuten später springt er vor einen Zug.
Die Absicht, das eigene Leben zu beenden, verursacht keinen charakteristischen Ausschlag wie Masern oder Röteln, sie färbt die Haut nicht, muss nichts in der Mimik fremd machen und kann das Verhalten scheinbar unbehelligt lassen. Man sieht es jemandem nicht an, das ist einer der Punkte, der es so erschreckend macht, der andere ist, dass wir Menschen immerzu verstehen möchten und stoßen wir an etwas, das sich uns nicht erschließt, ist das erschreckend und beunruhigend und entwickelt einen Sog, der die Gedanken nicht mehr loslässt.

Was hat diesen jungen Mann dazu getrieben?
Ich könnte mir hundert mögliche und schlüssige Szenarien ausdenken, aber Fakt bleibt: Ich weiß es nicht.
Ich hoffe von Herzen, dass sich doch noch irgendwo ein Abschiedsbrief oder eine andere Art der Erklärung finden wird, denn Erklärungen machen es leichter für die Hinterbliebenen, Ungewissheit ist ein Krebsgeschwür.
Das "Warum" kann noch so verstörend, scheinbar absurd und belanglos sein - einen Grund zu kennen, hilft dabei, in irgendeiner Form seinen Frieden zu machen und irgendwann abschließen zu können.

Mein ganzes Mitgefühl gilt heute den Angehörigen der Opfer dieser schrecklichen Tragödie und den 150 armen Seelen, die so plötzlich aus dieser Welt gerissen wurden. Mögen sie ihren Frieden finden.

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