Dienstag, 14. April 2015

Erinnern heißt auswählen - Zum Tod von Günter Grass


Mein Verhältnis (und ich als Germanistin darf das eigentlich kaum sagen) zu Günter Grass war nie das Beste.
Dies ist wohl dem Deutschunterricht anzulasten, der sich damals und an "meiner" Schule in so hohem Maße der Aufarbeitung des 3. Reichs und einer Prävention eventueller Wiederholungen widmete, dass er jedwede geeignete Literatur wie eine Keule schwang; die "Blechtrommel" war eine davon.
Wir lasen das Buch, dann sahen wir auch noch den Film und wir besprachen, besprachen, besprachen auf Basis der vorgelieferten Sichtweise meiner damaligen Lehrerin, (einer Sichtweise übrigens, die keinesfalls zu diskutieren oder gar anzuzweifeln war), das Werk, wir besprachen es immer wieder in Kreisen und endlosen Wiederholungen, und als der Stoff dann endlich ad acta gelegt wurde, tat ich mit Grass das selbe.
Ich hatte einfach so genug von dem Thema als solchem, dem Roman im speziellen, der Art der Grass'schen Prosa, seiner ach-so-bildhaften Sprache und seiner oh-wie-grotesken Bilder...
Ich war es leid.

Diese innere Aversion wurde ich nie mehr los.

Ich nahm Grass zur Kenntnis, ich las ihn sogar hin und wieder, ich kann und konnte seine Leistungen schätzen und seine Bedeutung für die deutsche (Nachkriegs-) Literatur würdigen und als er 1999 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, hat mich das für ihn und für die deutsche Literatur gefreut.
Aber berührt hat er mich nie.
Seine Werke lese ich, wenn ich sie denn lese, zumeist mit Interesse, die vielen intelligenten Dinge, die er gesagt hat, ringen mir Anerkennung ab und manchmal bringen sie mich zum Schmunzeln oder zum Kopfschütteln, ich habe über Kontroverses, das er von sich gegeben hat, nachgedacht und diskutiert und das sogar gerne, aber all das geschieht ohne Feuer, all das bleibt letztendlich kühl und das ist irgendwie ein wenig bedauerlich, denn sicher war er einer der Großen der deutschen Literatur, aber dennoch - sein Werk berührt mich einfach nicht und das erweckt in mir nun, da er tot ist, ein vages Schuldgefühl. Eine obskure Art von "nihil nisi bene" wohl.
Nun werde ich wohl, um dies zu bekämpfen, doch noch einmal die "Blechtrommel" lesen müssen. Vielleicht geht es dieses Mal ja besser, so manches Stück Literatur braucht schließlich Jahre, bis man es schätzen lernt.

Nun könnte man nach all diesen Worten sicherlich zitatorisch fragen, "Was nützt ein Dementi des Giftes, wenn es schon wirkt", aber ich wünsche Günter Grass, obgleich ich nie für ihn brannte, doch einen leichten Weg und dass er in Frieden ruhen möge. Die literarische Welt ist definitiv ein Stück leerer geworden ohne ihn.

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